Prinzipien der Maschinendatenerfassung

Grundsätzlich ist die Aufgabe immer klar. Ein Kunde möchte die Daten seiner Maschinen und Anlagen nutzen. Was es hierbei alles zu beachten gilt erläutern wir in diesem Beitrag.
Nachdem wir uns mit einigen Grundlagen zur Prozessdatenerfassung an industriellen Maschinen befasst haben, geht es nun weiter zur Maschinendatenerfassung im allgemeinen.
Inhaltsverzeichnis
Jeder ist anders
In der Maschinenhalle eines durchschnittlichen mittelständischen Betriebs stehen für die unterschiedlichen Arbeitsvorgänge Maschinen und Anlagen verschiedener Hersteller. Selbst bei gleichen Arbeitsvorgängen ist es nicht unüblich, dass Anlagen unterschiedlicher Hersteller Verwendung finden.
In der Konsequenz ist der Maschinenpark in mehreren Dimensionen heterogen aufgestellt:
- Unterschiedliche Hersteller
- Unterschiedliche Generationen von Maschinen im Sinne des Alters der eingesetzten Maschinen
- Gleiche Anlagen eines Herstellers, aber in unterschiedlicher Konfiguration und Ausstattung
Diese Heterogenität hat direkte Auswirkungen auf die MDE, denn mit diesen Unterschieden ergeben sich auch Unterschiede in der Art und Weise wie Maschinendaten erfasst werden können. Wir betrachten im Folgenden einige Charakteristika von Daten-Schnittstellen, mit deren Hilfe wir verfügbare Schnittstellen zur MDE einordnen können.
Physikalische Schnittstelle
Mit den unterschiedlichen Maschinengenerationen wurden auch unterschiedliche physikalische Schnittstellen zur Steuerung der Maschine eingesetzt. Insbesondere besitzen ältere Steuerungen häufig keine Ethernet-basierte Netzwerkschnittstelle, sondern verwenden andere physikalische Schnittstellen wie RS485 oder Profibus. Wir unterscheiden die zwei folgenden Kategorien für die physikalische Schnittstelle:
- Ethernet Schnittstellen, die es erlauben über ein Netzwerk mit der Steuerung zu kommunizieren.
- Serielle Schnittstellen, die häufig eine spezielle Hardware und Verkabelung voraussetzen, um mit der Steuerung kommunizieren zu können.
Für die MDE ist eine Erfassung über eine Netzwerkverbindung in der Regel am einfachsten zu realisieren, da keine spezielle Hardware benötigt wird.
Offenheit der Spezifikation
Neben den unterschiedlichen physikalischen Schnittstellen gibt es eine noch viel höhere Anzahl an unterschiedlichsten Kommunikationsprotokollen, die der Steuerungs-Hersteller für seine Daten-Schnittstellen verwendet haben könnte. Das Kommunikationsprotokoll ist dabei unabhängig von der physikalischen Schnittstelle und kann daher über unterschiedliche physikalische Schnittstellen realisiert werden.
Je nach verwendetem Kommunikationsprotokoll ist es für die MDE entscheidend, wie zugänglich die Spezifikation des Protokolls ist. Die Offenheit der Spezifikation ist daher das entscheidende Kriterium, denn nur wenn die Art der Kommunikation bekannt ist, können auch Daten erfasst werden. Je nach Hersteller und Anwendungsfall kommen Formate für die Kommunikation zum Einsatz deren Spezifikationen mehr oder weniger offen zugänglich sind. Wir unterscheiden bei Offenheit der Spezifikation in drei Klassen:
- Proprietäre Spezifikation, die von einem Hersteller für seine Produkte definiert wurde. Die Spezifikation der genutzten Physik und Datenformate liegt in der Regel nur dem Hersteller vor. Zur Nutzung dieses Formats ist man auf die Mitarbeit des Herstellers angewiesen und muss ggf. Lizenzkosten für die Nutzung entrichten.
- Halb-offene Spezifikation, die innerhalb von Konsortien definiert wurden. Mitglieder des Konsortiums haben Zugriff auf die Spezifikation der Kommunikation und dürfen ihre Produkte mit diesem Konsortiums-Standard ausstatten und bewerben.
- Offene Spezifikation, die frei zur Verfügung steht und von jedem lizenzkostenfrei genutzt werden darf. Die verwendete Physik ist allgemein definiert und wird von vielen Anbietern unterstützt.
Proprietär
Zum Schutz des geistigen Eigentums tendierten Hersteller in der Vergangenheit dazu, auf proprietäre Kommunikation zu setzen, die sie kontrollieren konnten. In manchen Fällen wurden durch Innovationen in diesem Bereich auch Wettbewerbsvorteile generiert, die es zu schützen galt. Außerdem haben marktbeherrschende Hersteller kein Interesse daran mit anderen Herstellern interoperabel zu sein, da das primäre Ziel die Marktbeherrschung mit den eigenen Produkten und Formaten ist.
Halb-Offen
In Situationen, in denen man für die Funktionalität des Produktes auf die Interoperabilität mit Mitbewerbern angewiesen war, entwickelten sich halb-offene Kommunikationsstandards. Hier schließen sich einige Hersteller mit denselben Interessen zusammen und definieren einen Konsortiums-Standard. Nicht-Mitglieder des Konsortiums bleiben jedoch außen vor, so dass die Mitglieder weiter die Kontrolle über den Standard haben.
Offen und Open Source
Offene Formate finden sich dort, wo z.B. die Kommunikations-Protokolle bereits relativ alt und häufig auch einfach gehalten sind. Das Wissen über die Kommunikation hat sich so sehr verallgemeinert, dass es zu einem offenen Wissen wurde. Das Internet trägt dazu bei, dass dieses Wissen heute allgemein zugänglich ist.
Mit Aufkommen der Open-Source Bewegung aus dem Software-Bereich, gibt es den Trend hin zu einer bewusst offenen Kommunikation. Auch die Anforderungen aus dem Bereich der MDE führen dazu, dass Kunden erwarten, dass ihre Maschinen und Anlagen über Protokolle kommunizieren, die auch der Kunde für seine Zwecke nutzen kann. Außerdem verstehen es einige Hersteller heute als Wettbewerbsvorteil, wenn ihre Produkte aufgrund ihrer Offenheit von einer sehr breiten Kundschaft für unterschiedliche Zwecke genutzt werden können und sich so neue Geschäftsfelder erschließen, die zuvor nicht bedient wurden.
Art der Datenübermittlung
Neben der Offenheit einer Daten-Schnittstelle trägt die Art der Datenübermittlung dazu bei, wie man auf die Schnittstelle zugreifen kann. Wir unterscheiden die Art der Datenübermittlung anhand des Auslösers, der dazu dient, die aktuellen Daten einer Maschine zu übermitteln:
- Auf Anfrage: Eine Anfrage z.B. nach einem bestimmten Datum wird mit den ermittelten Daten in der Antwort quittiert (Request/Response).
- Ereignis-basiert: Ein Anfragender bekundet sein Interesse an bestimmten Daten und bekommt diese bei Eintreten eines Ereignisses übermittelt (Publish/Subscribe).
- Uhr: Jedes Datum wird in definierten Zeitabständen gesteuert durch eine Uhr unabhängig von anderen Ereignissen immer wieder übertragen (Realtime).
Der Auslöser kann also eine Anfrage von außen sein, ein Ereignis innerhalb der Anlage, z.B. eine Wertänderung oder eine Uhr, die periodisch abläuft. Daraus ergeben sich die folgenden Strategien zur Datenerfassung.
Strategien zur Datenerfassung
Je nach eingesetzter Physik der Daten-Schnittstelle, deren Offenheit und des Auslösers für die Datenübermittlung greift die MDE auf unterschiedliche Strategien zurück, um Daten erfassen zu können.
Die Erfassung von Maschinendaten erfolgt durch einen Agenten, der mit der Maschine kommuniziert. Wir unterscheiden drei Strategien zur Erfassung von Maschinendaten durch einen solchen Agenten:
- Abfragen: Die Daten werden durch den Agenten von der Anlage abgefragt (Pull).
- Empfangen: Die Daten werden von Anlage automatisch an den Agenten übermittelt (Push).
- Mitlesen: Der Agent belauscht die Kommunikation an der Anlage und extrahiert daraus die relevanten Daten (Sniff).
In Fällen, in denen es möglich ist, Veränderungen an der Maschine oder Anlage vorzunehmen, sind unter Umständen mehrere Strategien möglich.
Beispiele
Wir wollen die aufgestellten Prinzipien an zwei Beispielen veranschaulichen. Angenommen wir haben an einer Anlage eine serielle RS232 Schnittstelle, um Daten erheben zu können. Wir wissen, dass an dieser Schnittstelle auf Anfrage mit bestimmten Befehlen einzelne Messwerte abgefragt werden können. Das verwendete Abfrage-Protokoll, also das Kommunikationsprotokoll, ist vom Hersteller vorgegeben und nicht offen zugänglich dokumentiert. Daraus ergibt sich die folgende Einordnung.
Kriterium | Ausprägung |
---|---|
Physikalische Schnittstelle | Seriell (RS232) |
Offenheit der Spezifikation | Proprietär |
Art der Datenübermittlung | Auf Anfrage |
Strategie zur Datenerfassung | Abfragen |
Für die MDE müssen wir also eine Hardware mit RS232 an der Anlage anschließen, um die Daten abzufragen. Da es sich um ein proprietäres Format handelt, muss mit dem Hersteller abgestimmt werden, welche Informationen wie abgefragt werden können. Falls der Hersteller, diese Informationen nicht teilen möchte, kann man die Schnittstelle nicht für die MDE nutzen.
In einem anderen Beispiel haben wir eine Maschine, dessen Steuerung über einen Netzwerkanschluss verfügt. Als Kommunikationsprotokoll wird Modbus unterstützt, was inzwischen als offene Spezifikation anzusehen ist. Es ergibt sich folgende Einordnung.
Kriterium | Ausprägung |
---|---|
Physikalische Schnittstelle | Ethernet |
Offenheit der Spezifikation | Offen |
Art der Datenübermittlung | Auf Anfrage |
Strategie zur Datenerfassung | Abfragen |
Für dieses Setup muss die MDE Software im selben Netzwerk installiert sein, in dem auch die Maschine konfiguriert ist. Über das Netzwerk können die Daten über Modbus abgefragt werden. Mit Hilfe der Dokumentation der Anlage bzw. durch Nachfrage beim Hersteller kann ermittelt werden, welche Daten an dieser Schnittstelle abgefragt werden können.
Angepasstes Vorgehen
Für die MDE ist es wichtig zu verstehen, dass unterschiedliche Konstellationen immer ein angepasstes Vorgehen erfordern. Der zu leistende Aufwand, um bestimmte Daten zu ermitteln variiert und kann nicht immer im Vorhinein bestimmt werden.
Daher sollte immer ein Vorgehen gewählt werden, bei dem im ersten Schritt die technischen Rahmenbedingungen der Schnittstellen geklärt werden. Im Anschluss kann die MDE-Lösung dann maßgeschneidert auf diese Anforderungen ausgerichtet werden. Die MDE-Lösung sollte in der Lage sein, sich auf alle vorgestellten Konstellationen anpassen zu lassen. Ist dies nicht der Fall, bleiben viele Daten ungenutzt.
Lebenszyklus
Im nachfolgenden Beitrag beschäftigen wir uns mit dem Lebenszyklus von Maschinendaten.